Der Urknall liegt nach heutigem Stand der Wissenschaft 13,7 Milliarden Jahre zurück. Aber was die Welt im Innersten in den ersten Sekundenbruchteilen zusammenhielt, das wird nur 6 Stunden und 550 km von Esslingen entfernt im Europäischen Kernforschungszentrum CERN in Meyrin nahe bei Genf erforscht. Die Physikfreunde des Rüdern TechnikClub RTC wollten bei ihrem Besuch im Januar genau wissen, was dort abläuft. Bei der Ankunft war schon die Kulisse beeindruckend, fast wolkenlos blauer Himmel mit Blick auf die nördliche, schneebedeckte Bergkette in Frankreich und den Genfer See und die Stadt im Süden.
Der Empfang im berühmten Gebäude 33 verlief unerwartet unspektakulär, die Liste der 24 Besucher reichte als Eintrittskarte. Allen war dabei bewusst, dass sie dem dem eigentlichen Ziel des Besuchs, dem Large Hadron Collider LHC, schon ganz nahe gekommen waren. Der fast kreisrunde Tunnel mit dem 27 km langen LHC ist genau unter ihnen in 100 Metern Tiefe vergraben. Er reicht vom Stadtrand von Genf bis vor die französischen Berge. Schon an den im freien Gelände endenden, mächtigen Hochspannungsleitungen war erkennbar, wie viel elektrische Energie zum Betrieb des LHC im Tunnel darunter nötig ist: im Betrieb „schluckt“ der LHC mehr als 30 % der Energie der Region Genf.
Unser Guide, selbst 30 Jahre lang Forscher am Cern und auch nach 15 Jahren Ruhestand noch voll dabei, erläuterte mit vielen Bildern und deutlich gezeigter und wachsender Begeisterung den Aufbau des LHC und die Funktion der riesigen Detektoren, mit denen die Bahnen der Teilchen vermessen werden, die im Stoß neu entstehen und dann weiter und weiter zerfallen. Für die Physiker am LHC sind diese Vorgänge deswegen so interessant, weil die Teilchen sich dabei so verhalten wie Teilchen beim Urknall. Bei den Billiarden von untersuchten Ereignissen konnten dann immer wieder die Elementarteilchen identifiziert werden, die Peter Higgs und François Englert vor 60 Jahren vorausgesagt haben und die immer noch fälschlicherweise mit Gottesteilchen bezeichnet werden.
Die gut vorbereiteten Teilnehmer ließen sich von der Detailfülle nicht beeindrucken und fragten nach, z. B. wie denn die gezeigten Bilder der Zusammenstöße entstünden und wie man darin das Auftreten bestimmter Teilchen nachweisen könne. Die Antwort: in einem mehrstufigen, superschnellen und hochpräzisen Filterungsprozess in einem extra eingerichteten, weltweiten Computernetzwerk kommt man letztlich „auf den Punkt“. Hinter dem maschinellen Netzwerk steht ein weltweites menschlichen Netzwerk von mehr als 10.000 Forschern und Technikern in vielen wissenschaftlichen Laboren, die programmieren, kontrollieren, diskutieren und Schlüsse ziehen.
Im CERN wird täglich gezeigt, dass so viele Menschen freiwillig und unabhängig von Staatszugehörigkeit, Ethnie, Religion, Sprache etc. sehr erfolgreich an einem gemeinsamen Ziel arbeiten können. Die wirklichen Antriebskräfte dafür, so unser Guide, sind menschliche Begeisterung und Neugier. Neben dem Staunen über die hervorragenden Forschung war das die wichtigste Erkenntnis für alle und es ist wohl auch das ganz Besondere am CERN.
Vieles am Erfolg des LHC ist schlicht und einfach „Knochenarbeit“. Nur permanente Tests aller Komponenten ermöglichen den sicheren Betrieb der Anlage.
Trotz des großartigen Erfolgs wird am LHC weiter geforscht. Die Identifizierung des Higgsteilchens hat zwar das sog. Standardmodell der Elementarteilchen bestätigt. Es sind aber immer noch viele Fragen offen, z.B. die nach der dunklen Energie oder der dunklen Materie. Für diese Untersuchungen ist ein noch stärkerer LHC für noch mehr Teilchen und noch höhere Energie nötig. Beschwichtigend fügte unser Guide hinzu, dass der jetzige LHC für die geplanten Untersuchungen der nächsten 10 Jahre schon noch ausreichte, trotzdem gäbe es auch schon die ersten Entwürfe für den LHC 2.0.