Dem Feinstaub auf der Spur

Nach 15 Tagen endete Anfang Februar 2017 der bisher längste Feinstaubalarm in Stuttgart. Die Feinstaubbelastung von Mensch und Umwelt erreichte dabei Tagesmittelwerte von bis zu 188 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Am Tag nach dem Silvesterfeuerwerk lag der Wert noch höher. Der von der EU empfohlene Maximalwert ist 50 Mikrogramm pro Kubikmeter!

Rüdern liegt hoch über der Stuttgarter Innenstadt und weit weg von der Messstation am Neckartor. Rüderns Bürger könnten sich in Sicherheit wiegen. Zusätzlich lässt die Nähe zum Schurwald saubere Luft erwarten. Viele Menschen nutzen diese scheinbar beste Lage zu ausführlichen Spaziergängen und intensivem Jogging, aber ….

Entwicklungen an der chinesischen Jinan Universität in Guangzhou brachten einen Feinstaubsensor auf den Markt, dessen Zuverlässigkeit und Qualität mittlerweile sichergestellt ist. Mit 25 € pro Stück ist er auch bezahlbar. Die für die Auswertung der Sensordaten notwendige Software für den Raspberry Pi haben Rudolf Schenke und Hermann Klinger vom RTC beigesteuert. So ist es seit Anfang Januar 2017 möglich, Feinstaubwerte für PPM 2,5 und PPM 10 mobil zu erfassen, zu speichern und live auf dem Handy anzuzeigen.

Die Überraschung für die RTCler war schon nach den ersten Messungen sehr groß: Auch in Rüdern hätte im Januar dringend Feinstaubalarm ausgerufen werden müssen. Die gemessenen Werte lagen zeitweise trotz strahlend blauem Himmel und scheinbar klarer Luft bei Werten von 248 Mikrogramm pro Kubikmeter für PPM 10 und 106 Mikrogramm pro Kubikmeter für PPM 2,5. Ein Spaziergang mit der unscheinbar grauen Messbox von Rüdern in die Esslinger Innenstadt ergab, dass die Feinstaubwerte zunächst etwas sanken, in der Innenstadt aber wieder anstiegen. Überraschenderweise waren die Werte in der Innenstadt deutlich niedriger als die fast zeitgleich gemessenen Werte in Rüdern! Sollte die Feinstaubbelastung in Rüdern also wirklich höher sein als in der Esslinger Innenstadt?

Eine erste Erklärung für dieses unerwartete Ergebnis ist, dass die im gesamten Ballungsraum entstehenden Abgase einschließlich des Feinstaubs von der Luftschicht, die für die Inversionswetterlage verantwortlich ist, wie unter einem riesigen, luftundurchlässigen Deckel über der Region gehalten wird und sich nicht in größere Gebiete verteilen kann. Das bedeutet, je mehr Abgase entstehen umso mehr sinkt diese Schicht aus Abgasen von oben her nach unten und überdeckt Landschaft und Wohngebiete.
Die ersten Ergebnisse mit der mobilen Feinstaubmessbox des RTC lassen viele Fragen offen. Ganz offensichtlich aber lässt die mobile Feinstaubmessung deutlich bessere Aussagen über örtliche oder gar individuelle Belastung durch Feinstaub zu als eine stationäre Messung.
Im Bild die Feinstaubjäger am Schelztor-Gymnasium

Im RTC sind weitere zehn mobile Feinstaubmessboxen mit GPS in Vorbereitung. Ziel ist es, die damit ermittelten Daten zu einem feinmaschigen räumlichen und zeitlichen Netz der Feinstaubbelastung zusammenzuführen und damit z.B. Plätze mit besonders hoher oder besonders niedriger Belastung zu identifizieren.
PS: Die schadstoffarme Verschnaufpause in Stuttgart dauerte 2 Tage. Ein neuer Feinstaubalarm mit offenem Ende wurde ausgerufen. Und wie zu erwarten, stiegen auch in Rüdern schon nach einem Tag die Feinstaubwerte mit 58,5 für PPM 10 und 34,5 für PPM 2,5 wieder über die Alarmgrenze, mit deutlich steigender Tendenz.